Wie angekündigt, möchte ich Euch den von Christof
viewtopic.php?f=80&t=857&p=3946&hilit=litauen#p3946
freundlicherweise hier im Forum angebotenen Kasten vorstellen:
Der Deal lief übrigens zu unser beider Zufriedenheit ab: Ich hatte mich tatsächlich als erster Interessent gemeldet, habe Christof aber statt der Portoübernahme eine Überraschung angeboten.
Seinem Interessengebiet entsprechend hatte ich noch eine Blechzahnradbahn mit zwei aufziehwagen; ich fand, dass ein derart freundliches Angebot gewürdigt werden sollte.
Diejenigen Forenkollegen, denen ich zuvor gekommen bin, bitte ich um Nachsicht: Es kann nur einen treffen, diesmal war's der Richtige!

Nu' aber zum Kasten:
Es handelt sich um eine Junge Chemikerin, wie am Knopf im Ohr unschwer zu erkennen.
Im Vergleich zu Jahrzehnten westlicher Chemiekästen, wo NUR Jungen, Mädchen allenfalls in Helferposition im Hintergrund zu sehen waren, ein wirklich erfreulicher Hinweis auf Gleichstellung im real existierenden Sozialismus:

Der Kastendeckel zeigt natürlich nicht annähernd das, was im Kasten zu finden ist, sondern ein chemisches (Schul?)-labor.
Der jungen Dame wird die Sicht nicht unnötig durch eine Schutzbrille getrübt, hier wird noch Chemie nach alter Väter Sitte (schon wieder geschlechterbegrenzt, sorry) gemacht!
Der Inhalt des Kasten ist fast noch vollständig:


Auf dem Kasten werden 300 "Experimente" versprochen, im Anleitungsbuch ist mit Beitrag 258 das Ende erreicht:

Das Anleitungsbuch ist von derart miserabler Papierqualität, dass ich es kaum leicht öffnen kann, ohne dass das Papier mir in den Händen zerkrümelt:

Unfassbar, eine echte Herausforderung für einen Restaurator!
Hier in der Anrede des Deutschsprachigen Bändchens wird übrigens "der junge Freund!" angesprochen, von Gleichberechtigung keine Spur!
Das absolute Highlight des Kastens -und der Grund, weshalb ich den freundlichen Anbieter umgehend angeschrieben habe, ist die Retorte:

Sowas habe ich noch in keinem Kasten jemals gesehen - das Symbol der Alchemisten schlechthin!
Ein kleiner Versuchsaufbau zur Destillation mit der Retorte:

Interessant der Brenner:
Eine Blechschale wird mit den im blauen Kunststoffbehälter beiliegenden Hexamethylentetramin - Urotropin, oder zu Deutsch "Esbit" Tabletten gefüllt, ein kleiner Dreifuß oben hält die Retorte, ein kleiner Dreifuß unten verhindert, dass Muttis Küchentisch bleibende Brandschäden davon trägt:

In älteren Auflagen muss diese Gestelle noch Draht gefertigt gewesen sein:

Das sieht mir etwas von Wilhelm Fröhlichs frühen Spiritusbrenner abgekupfert aus.
Insgesamt sind die Versuche recht wahllos und der theoretische Hintergrund nur ganz mangelhaft ausgeführt:

Die Gesamtausführung des Kastens ist nur sehr einfach und teilweise mangelhaft, hier die ebenfalls von den frühen Kosmos Kästen inspirierte Grundplatte:

Die Holzqualität ist deutlich schlechter als das schöne lackierte Buchenholz der Kosmoskästen.
Spannend ist es auch, eines der Chemikaliengläser auf den Tisch zu stellen, die Flachböden der Gläser sind nach Pisa-Art (gemeint ist der Turm, nicht der Bildungsniveautest!) ausgeführt:

Insgesamt ein Kasten, der westlichen Qualitätsanforderungen sicher nicht genügen würde, für mich ein hochinteressantes Belegstück, wie es "drüben" zugegangen ist.
Dem Anbieter Christof an dieser Stelle noch mal ein herzliches Dankschön!
Thomas