Vorgeschichte
Bei der Straßenbahn kommen für mich zwei "Hobbys" zusammen: zunächst die E-Technik und dann die frühere aktive Mitgliedschaft bein einer Museumsstraßenbahn (BMB in Wpt). Von der Besichtigung der Aachener Straßenbahn (Strab) her rühren zwei Instrumente auf meinem Bücherreagal her: Ein Voltmeter mit Endausschlag 1 kV und ein Amperemeter mit 2 kA. Alleine ein "k" vor "A" bzw. "V" lässt schon ein ganz besonderes Gefühl aufkommen. Da ich seit ca. einem halben Jahr wieder Experimentiere und kürzlich einen Aufsatz über Erd- und Baumantennen las, war die Zeit reif für die hierunter beschriebene Messung.
"verbrauchter" Strom in der Fahrschule
Ein früheres Vereinsmitglied kam in den Genuss, bei der Rheinbahn AG in Dssd eine Ausbildungs als Triebfahrzeugführer absolvieren zu dürfen. Er war Elektromeister und musste den folgenden Satz auswendig lernen (Prüfungsstoff): "Der Strom fließt vom Fahrdraht über den Stromabnehmer zum Motor. Der verbrauchte Strom verlässt den Triebwagen über die Radsätze und fließt in den Schienen zum Unterwerk zurück (Rückstrom)." So ähnlich war es. Manchmal erfährt man eben Nachteile, wenn man etwas lernen muss, was man schon weiss.
"verbrauchter" Strom auf Abwegen (Rückstrom)
Der Rückstrom fliesst also in den Schienen zum Unterwerk (Trafostation mit Gleichrichter) zurück. Aber die Elektronen sind eigensinnig. Wenn sie meinen, eine Abkürzung zu kennen, dann verlassen sie die Schienen und gehen eigene Wege. Mit Sicherheit finden sie aber wie Tauben ihren Weg zum heimischen Schlag zurück, zu ihrem Unterwerk, da stammen sie ja her. Das gilt aber nur für Gleichstrombahnen. Warum nicht für Wechselstrombahnen, das sei mir hier als didaktische Frage erlaubt.
Auf ihrem Weg zurück sind die Elektronen aber auch nicht blöd, sie wollen es auf ihrer Abkürzung auch bequem haben. Wenn schon keine elektrische leitende Schiene, dann aber doch vielleicht ein elektrisch leitendes Rohr der Gasleitung. Das gibt dann Korrosionslöcher an der Gasleitung, am Eintritt oder am Austritt der Elektronen. Imho am Eintritt, weil dort Metallatome als Ionen austreten, aber das kann von Anderen hier noch kommentiert werden. Ich bin jedenfalls im mom zu faul zum Nachlesen.
Isolatoren im Absperrgitter
Bereits vor mehren zig Jahren waren mir im Trennzaun zwischen Strab-Gleisen und Radfahrweg ca. 10 cm lange Isolatoren aufgefallen. Offenbar sollte hier die ansonsten mehrer Hundert bis km lange parallel zu den Schienen verlaufenden Leiter "Zaun" alle ca. 10 Meter unterbrochen werden, um den "verbrauchten" Elektronen den Spaß zu verderben. Die sollten gefälligst in den Schienen bleiben und nicht als vagabundierender Rückstrom in parallel in der Straße verlaufende Rohrleitungen eintreten und dort Lochfrass hervorrufen.
Die so entstehende Differenzspannung war bestimmt nicht hoch, sonst hätte ja jeder Isolator mit einem Zaun umgeben sein müssen incl. Hochspannungspfeil.
Und gestern war es dann soweit: ich wollte es wissen ...
Ein interessanter Versuch
... und packte mein DMM nebst zwei Messchnüren plus zwei Krokodilklemmen ein. Ich hatte alles gut vorbereitet. Die Messung würde ich mit Strohhut auf dem Kopf und gelber Tragetasche in der Hand durchführen. Um vielleicht alarmierten Ordnungskräften nicht aufzufallen ("an der Heidelberger Straße macht sich ein älterer Mann mit Strohhut und gelber Tragetasche am Straßenbahngleis zu schaffen"), würde die gelbe Tragetasche in der grauen verschwinden, unddito der Strohhut. Das war meine "Exit-Strategie".
Ich beschränkte mich auf die Messung der Spannung und stellte vorsichtshalber den 1 kV Messbereich ein (mit einem kleinen roten Hochspannungspfeil). Diesen Versuch empfand ich richtig "spannend", er wurde folglich regelrecht zelebriert.
Warum kein Amperemeter? Es hätte ja sein können, dass selbst eine ungefährlich kleine Spannung am Isolator kurzgeschlossen eine sehr hohen Erdstrom hervorrufen würde, besonders dann vielleicht, wenn eine Strab vorbeifuhr und von einer Seite der kurzgeschlossenen Stelle zur anderen fahren würde. Mein benutzes DMM war zwar wie der defekte OC602 im Radio + Elektronik Experimentierkasten "zum Abschuss" (d. h. zu möglicherweise lebensgefährliche Messungen) frei gegeben. Aber wie der Transistor war auch beim DMM eine Hälfte kaputt, das Amperemeter. Da hatte ich früher mal nicht aufgepasst. Egal wie, es blieb nur die Messung der Spannung übrig. Sonst hätte ich das mit dem Strom auch sehr gerne gemessen

Kontakt !
Der Pfostenzaun mit Metallkette war vor Ort verschwunden, jedenfalls die Kette. Davor stand ein stabiler Metallzaun mit ekeligen Spitzen oben. Damit "verbrauchte" Menschen nicht die Abkürzung hinüber zum Farbenkrauth nehmen würden, auch so eine Art Unterwerk, eine Quelle von Inspiration ...
Aber, der neue Zaun war ebenfalls nicht durchgängig, sondern bestand aus ca. 10 m langen elektrisch voneinander getrennten Teilzäunen. Ich positionierte mich also an einer solchen Trennstellte und schloss links und rechts meine Krokoklemmen an. Dann die Messkabel. Ich versäumte es, beide Kabel kurz zu verbinden, vielleicht wäre ja ein Funken zu sehen gewesen? Muss wiederholt werden: Action Item #1.
Dann ins DMM eingestöpselt, das auf dem Gleisschotter (außerhalbe der "restricted area"). Stellung 1.000 V=. Nichts tat sich. Eine erste Strab fuhr vorbei: nichts tat sich. Ich wurde folglich mutiger und ging bis in den kleinsten Bereich hinunter, auf 2 V.
Da war etwas, die Spannung schwangte langsam zwischen 0,04 bis 0,06 V. Nur 60 mV ! Jetzt wären Detailkenntnisse zum Widerstand zwischen linkem und rechten Zaun zielführend. Ich vergass, den mit dem Ohmmeter zu messen. Das gibt Action Item #2.
Die Spannung sinkt
Und dann kam die nächste Strab an: genau im Augenblick der Vorbeifahrt sank die Spannung an der Trennstelle auf 0,01 bis 0,02 V ab. Das war interessant. Ich vermute, dass im Erdreich ein Teil der "verbrauchten" Elektronen nach links (zum Unterwerk A) und ein andere Teil von ihnen nach rechts (zum Unterwerk B) floss, und so der ohne Fahrbetrieb hier ständige fließende Rückstrom (welcher den Potenzialunterschied von 0,04 bis 0,06 V hervorrief) auf 0,01 bis 0,02 V teilweise kompensierte.
Da offenbar nichts Gefährliches aber doch leicht Interessantes passierte, fühlte ich mich inzwischen ziemlich entspannt, wollte aber noch ein wenig länger hier bleiben und sehen, ob sich noch etwas tat.
Die Spannung steigt
Auf einmal fing die Anzeige an zu zappeln: Die Spannung stieg bis auf 0,088 V an. Was war das? Eine halbe Minute später hörte ich die Ursache: es näherte sich ein Triebwagen der Strab. Beim Anhalten an der nahen Haltestelle sank die Spannung etwas. Und bei der Vorüberfahrt wieder auf 0,01 bis 0,02 V und danach der bekannte Anstieg auf 0,04 bis 0,06 V.
Zusammenfassung
Ein schon länger bekannte und mir als E-Techniker erkläre Besonderheit (Unterteilung eines leitfähigen längeren Zauns parallel zum Gleis der Strab in viele Teilstücke) führte endlich zu einer Messung, zu einem Versuch, nicht zuhause auf dem Experimentierpult, sondern draußen, in freier Wildbahn. Das empfand ich als richtig spannend. Und aus diesem Grunde wollte ich Euch das auch erzählen, auch wenn es nichts mit HF-Technik zutun hat.
Ich überlege mir jetzt, welche harmlosen einfachen Versuche noch draußen möglich wären. Mit Klapprechner, Kfz-Batterie und Campingstisch sollte da noch mehr möglich sein.
Gruß
Hans-Günter