Polytronic ABC - Experimente für zuhause

Experimentierkästen aus der DDR

Polytronic ABC - Experimente für zuhause

Ungelesener Beitragvon FrankR » 6. Feb 2012, 01:26

Neben den in der DDR für den Schulunterricht und die Ausbildung konzipierten Baukästen der Reihe Polytronic Elektronik 1, 3, 5 und 6 wurde der Baukasten Polytronic ABC für den Heimbereich zum freien Verkauf angeboten. Dieser Baukasten wurde in zwei Versionen angeboten: als Komplett-Baukasten Polytronic ABC (den ich persönlich habe und hier vorstellen werde) und als drei separate Baukästen Polytronic A, Polytronic B und Polytronic C.

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Hier noch zusätzlich ein Bild der separaten Baukästen:

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(Hinweis: Alle kleinen Bilder können durch einen Klick vergrößert werden)


Die Anleitung wurde ein oder zweiteilig angeboten, und behandelte alle drei Module A, B und C in separaten Abschnitten auf über 180 Seiten.

Ich verfüge zwar über die Originalanleitung, kann aber leider keine eigenen Scans davon anbieten, da diese klein-formatige, aber dicke Anleitung sehr unter dem Scannen mit meinem Flachbrettscanner leiden würde. Jeder der an dieser Anleitung interessiert ist, kann sie jedoch unter den folgenden Links herunterladen: Anleitung Polytronic ABC (pdf), Teil 1 und Teil 2 auf kinder-technik.de und Anleitung Polytronic ABC (rar-Archiv) auf rft.de unter Rubrik Baukästen.

Die Module haben die folgenden Schwerpunkte:

  • Stufe A - Grundausstattung Elektrotechnik/Elektronik
    In dieser Stufe findet man alles (falls man separate Baukästen hat) was für den Aufbau von Experimenten der Stufe A und der weiteren Stufen als Grundausstattung benötig, wie z.B. die Lochplatten, Litzen, Klemmen und Hülsen zur Herstellung der Kabelverbindungen, Batteriehalter, ..., sowie eine Auswahl von Bauelementen für die Durchführung der Experimente der Stufe A (Widerstände, Kondensatoren, Silizium-Transistoren (Typ EWD C 36) usw.).

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    Stufe A beschäftigt ich in erster Linie mit den grundlegenden Bauteilen und Schaltungen, die in der Elektronik Anwendung finden. Die Versuche beginnen bei einfachen Stromkreisen, der Verwendung von Widerständen und Transistoren und gehen über zu einfachen Verstärkerschaltungen, Zeitschaltungen (unter der Verwendung von Kondensatoren) bis hin zu den grundlegenden Multivibrator-Schaltungen:

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  • Stufe B - Funktechnik
    Zusätzliche Bauteile für den Aufbau von NF- und HF-Schaltungen, wie z.B. Spulen, Lautsprecher und andere ergänzende elektronische Bauteile.

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    (Stückliste Stufe B auf der linken Seite)


    Die Schaltungen reichen in dieser Stufe von NF-Verstärkern, HF-Generatoren mit Modulation (die allerdings nicht über Antenne senden, sondern mit einem Radio als Empfänger per Kabel verbunden werden) bis hin zu Detektor- und Audionempfänger und einigen Tongeneratoren:

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    Da ich weiß, daß viele in diesem Board sich immer sofort auf die Radioschaltungen der jeweiligen Baukästen stürzen, möchte ich nicht hinten an stehen, und gebe hier die HF-Generator-Schaltung und die Schaltung für einen Diodenempfänger mit NF-Verstärker wieder:

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  • Stufe C - Elektronik
    Die Bezeichnung dieser Stufe ist sehr mißverständlich gewählt, da die bisherigen Schaltungen und Bauteile der Stufen A und B bereits zur Elektronik gehören, und in der Stufe C wenige Bauteile dazu kommen, die eher der Elektrotechnik zugeordnet werden können, wie z.B. Relais und Elektromotor.

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    (Stückliste Stufe C auf der rechten Seite)


    Schaut man sich die Versuche der Stufe C an, so wäre an Stelle der Bezeichnung "Elektronik" vielleicht die Bezeichnung "Steuer- und Regelungstechnik" sinnfälliger.

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    Auch aus dieser Stufe soll eine Schaltung exemplarisch gezeigt werden. Interessant ist der Versuch Temperaturregler, in dem die automatische Temperaturregelung einer Heizungsanlage simuliert wird. Das Besondere an dieser Schaltung ist die Verwendung von Bauteilen, die man heute selten bzw. garnicht in modernen Baukästen findet. Die Heizung wird simuliert durch einen Heizdraht, der um den Thermistor-Baustein, der hier als Themometer fungiert, gewickelt ist. Der Thermistor ist ein Widerstand mit negativem Temperaturkoeffizienten, d.h. der Widerstand leitet mit steigender Temperatur besser als bei niedriger Temperatur - also genau entgegengesetzt zu herkömmlichen Widerständen. Die Heizung wird über ein elektro-mechanisches Relais als Heizungsschalter auf eine betimmte Temperatur geregelt.

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Das Anleitungheft zum Polytronic ABC Baukasten unterscheidet sich wohltuend von den Anleitung der Polytronic Elektronik-Reihe für Schulen, sind doch hier Versuchsbeschreibungen und Erläuterungen - wenn auch in aller Kürze - enthalten, die diesen Namen verdienen. Sogar die einzelnen Bauteile werden am Anfang jeder Stufe beschrieben.

Nachfolgend noch ein paar Bilder, die einen konkreten Eindruck von den Bauteilen des Polytronic ABC Baukastens vermitteln sollen.

Der Baukasten enthält zwei Lochplatten zum Aufbau der Schaltungen. Davon dient eine Platte als sogenannte Speicherplatte, auf der alle Bauteile sortiert im Kasten aufbewahrt werden können, wobei eine mit Bauteilsymbolen und Nennwerten bedruckte Papierschablone, die auf die Platte gelegt ist, das Einordnen der Teile erleichtern soll. Ohne diese Schablone ist die Speicherplatte wie jede andere Lochplatte verwendbar.

Hier ein Überblick der im Baukasten ABC auf der Speicherplatte vorhandenen Bauteile:

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Zu einigen Bauteilen sind noch ein paar Anmerkungen erforderlich.

Für die Stufe B sind drei HF-Spulen im Baukasten enthalten. Das nachfolgend erste Bild zeigt von links nach rechts eine Mittelwellen-Spule, eine Langwellen-Spule und eine Koppelspule. Im Vordergrund sieht man den Spulenkörper mit eingeschraubtem Ferritkern. Laut Anleitung sind diese Spulen wie folgt gewickelt:

  • Mittelwellen-Spule - 115 Windungen 0,15 LPa
  • Langwellen-Spule - 465 Windungen 0,12 LPa
  • Koppelspule - 50 Windungen 0,15 LPa
(Frage: Kann mir bitte jemand die Bezeichnung LPa erläutern?)

Im zweiten Bild sieht man den in die Mittelwellen-Spule gesteckten Spulenkörper mit Ferritkern, auf die die Koppelspule aufgesetzt ist. Die Koppelspule läßt sich - mühsam - über den Spulenkörper an die untere Spule heranschieben oder von dieser entfernen, um den Kopplungseinfluß zu variieren.

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Bei dem Relais der Stufe C handelt es sich um ein Relais mit zwei parallel geschalteten Wechselschaltern. Leider fehlen zu diesem Relais in der Anleitung nähere Angaben. Der Aufdruck 4V auf der Spule des Elektromagneten läßt darauf schließen, daß das Relais mit einer (maximalen?) Steuerspannung von 4 Volt geschaltet werden kann/darf. Schaltet das Relais, so werden beide Wechselschalter gleichzeitig umgeschaltet. Natürlich kann jeder der beiden Wechselschalter auch als Schließer oder Öffner geschaltet werden, je nachdem, welcher Ausgang eines Wechselschalter belegt wird.

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Der dem vorliegenden Baukasten beigefügte Drehkondensator scheint normalerweise - wie diverse andere veröffentlichte Photographien dieses Baukastens zeigen - nicht zum Polytronic ABC Baukasten zu gehören. In den folgenden Bildern ist der größere der gezeigten Drehkondensatoren der, der eigentlich zu diesem Baukasten gehört. Er hat einen seitlichen roten Drehknopf, der kleinere Typ hat einen oben aufgesetzten gelben Drehknopf. Laut Bezeichnung auf der Speicherplatte soll der Drehkondensator eine Kapazität von 50 - 270 pF haben. Ob der kleinere - hier enthaltene - Drehkondensator äquivalent zu dem großen Drehkondensator ist, ist mir leider nicht bekannt. Möglich ist dies aber, wenn man bedenkt, daß der größere Drehkondensator 9 große Rotor- bzw. Statorscheiben enthält, der kleinere Typ jedoch mindestens doppelt soviele kleinere Rotoren bzw. Statoren.

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Der Photowiderstand im Kasten funktioniert prinzipiell noch, weicht aber stark von den Angaben der Anleitung ab, so daß bei vielen Schaltungen mit Problemen zu kämpfen ist.

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Laut Anleitung ist er vom Typ FOK3, mit einem Widerstandswert von ca. 100 kOhm bei Dunkelheit und ca. 100Ohm bei voller Beleuchtung. Laut meinen eigenen Widerstandsmessungen hat der vorliegende Photowiderstand jedoch einen Widerstand von ca. 700 - 800 kOhm bei Dunkelheit und von ca. 3,5 - 35 kOhm bei Helligkeit (voller Beleuchtung durch eine nebengestellte Lampe bzw. Tageslicht im Zimmer). Da der Widerstand bei Helligkeit (im kOhm Bereich!) weit entfernt ist von dem in der Anleitung angeführten Widerstand etwa eines Glühbirnchens, ist selbst die einfachste Schaltung in Reihe mit der Glühbirne nicht möglich.

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Die nicht-funktionierende einfache Fotowiderstands-Schaltung


Ich mußte also eine Schaltung mit Transistorverstärkung improvisieren, da auch die in der Anleitung vorgeschlagenen Schaltungen, die den Photowiderstand in einer Schmitt-Trigger-Schaltung für eine Dämmerungsschaltung verwendet, nicht funktionieren wollten. Da auch viele der Transistorschaltungen nicht funktionierten, gehe ich davon aus, daß auch die Tansistoren (Typ EWD C 36) nicht mehr in ihren definierten Grenzen arbeiten (wie aber ist das möglich, daß Transistoren ihre Werte nicht mehr erfüllen?).

Die reine Schaltfunktionalität der Transistoren ist allerdings noch vorhanden, und somit habe ich den Photowiderstand in eine Negationsschaltung eingebaut, die ein Lämpchen ansteuert: hell - Lämpchen ist aus, dunkel - Lämpchen geht an. Leider habe ich derzeit kein Programm, um eine kleine Schaltung zu zeichnen, deshalb füge ich eine Handskizze ein, da die Schaltung nur anhand eines Bildes des Schaltungsaufbaus nicht gut zu erkennen ist.

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Zu guter letzt noch ein Bild vom Thermistor. Man sieht sehr schön den um den Thermistor geschlungenen Heizdraht. Je zwei Kontakte auf dem Brettchen für den Thermistor und den Heizdraht. Der Thermistor funktioniert übrigens noch. Ich kann nur nichts dazu sagen, ob seine Werte noch in Ordnung sind, da wieder nichts darüber in der Anleitung zu finden ist.

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Fazit: Bisher hat mir mein Polytronic ABC viel Arbeit und wenig Freude gebracht.

Zu Beginn scheiterte schon der einfachste Lämpchenstromkreis mit Schaltern, weil die Kontaktbleche der Batteriehalterungen und die Kontaktstifte auf den Brettchen derart korridiert waren (Material Aluminium bzw. Messing?), daß keinerlei Kontakt zustande kam. Ich habe dann bei allen Teilen, die ich brauchte, die Kontaktstifte mit Schleifpapier (Körnung 120) bearbeitet. Eine Heidenarbeit! Jetzt habe ich mir im Bauhaus einen Kupfer/Messing/Aluminium-Reiniger gekauft - nur das Einlegen in die Brühe reicht nicht, man muß die Kontakte schon mit einem Tuch abreiben, vorsichtshalber gehe ich hinterher oft noch kurz mit Schleifpapier hinterher. Geht auf jeden Fall schneller als die reine Bearbeitung mit Schleifpapier.

Schaltungen mit Kondensatoren habe ich überhapt noch nicht ausprobiert, da ich leider nicht weiß, wie ich Kondensatoren vorab auf korrekte Funktionalität und Werte prüfen kann. Und Schaltungen aufbauen, ohne etwas über die Korrektheit der Bauteile zu wissen,macht mir zu viel Stress! Wenn es sich nur mal um ein Bauteil handelt, daß nicht funktioniert, mag dies angehen. Aber nicht, wenn es eventuell sehr viele sind.

Übrigens: Die Widerstände habe ich zuvor alle durchgemessen - sie liegen alle im definierten Bereich. Interessant ist bei diesen DDR-Widerständen, daß sie nicht den bekannten Code aus Farbringen haben. Sie haben alle die Werte direkt auf dem Widerstandskörper aufgedruckt - eigentlich sehr praktisch!

Mit Nostalgo-Sozialistischem-Gruß

FrankR
FrankR
 
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